Staatliche Tierhaltungskennzeichnung kommt

Stand:
Auf vielen Fleischpackungen im Handel ist eine "Haltungsform" der Tiere zwischen 1 und 4 angegeben. Diese Angabe ist freiwillig. Künftig muss die Tierhaltungsform bei Fleisch aus Deutschland verpflichtend angegeben werden. Ab 2024 gilt das zunächst für Schweinefleisch.
Eine Schweinefleischverpackung und im Vordergrund das neue staatliche Tierwohllabel mit den verschiedenen Haltungsformen.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Zur farbigen "Haltungsform"-Kennzeichnung mit den Stufen 1 bis 4 kommt 2024 ein weiteres Logo zur Angabe der Tierhaltungsform hinzu: das schwarz-weiße staatliche Tierhaltungskennzeichen.
  • Mit "Haltungsform" können jetzt schon die wichtigsten Fleischarten, Milch und Eier gekennzeichnet werden. Das staatliche "Tierhaltungs"-Logo hingegen wird zunächst nur auf Schweinefleisch zu finden sein.
  • Während die Angabe "Haltungsform" freiwillig ist, handelt es sich bei "Tierhaltung" um eine verpflichtende Kennzeichnung.
  • Die Kennzeichnung der Tierhaltungsformen kann Verbraucher:innen die Orientierung beim Fleischeinkauf erleichtern. Die "Haltungsformen 3 und 4" bzw. die Angaben "Frischluftstall", "Auslauf/Weide" und "Bio" der zukünftigen staatlichen Tierhaltungskennzeichnung signalisieren deutlich verbesserte Tierhaltungsbedingungen.
  • Ob es den Tieren tatsächlich gut gegangen ist, darüber geben Haltungsform und Tierhaltungskennzeichnung keine Auskunft. Denn mehr Platz und Einstreu im Stall sind noch kein Garant für mehr Tierwohl.
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Tierschutz steht hoch im Kurs. Immer mehr Verbraucher:innen wollen, dass Tiere gut leben, bevor sie geschlachtet werden. Der Handel reagiert darauf seit Jahren mit immer neuen Marken und Labeln. Im April 2019 hatte sich der Handel auf die einheitliche "Haltungsform"-Kennzeichnung geeinigt.

Die freiwillige "Haltungsform"-Kennzeichnung des Handels

Mit diesem 4-stufigen Label wird hauptsächlich Fleisch von Schweinen, Rindern, Hühnern und Puten gekennzeichnet, das in den Selbstbedingungstheken ausliegt. Seit 2021 kann auch Fleisch von Kaninchen, Pekingenten und auch Milch mit der "Haltungsform" gekennzeichnet werden. Teilweise finden Sie die freiwilligen Siegel auch bei unverpacktem Fleisch an den Bedienungstheken der teilnehmenden Supermärkte sowie bei Wurst.

Achtung: Das System der Haltungsform-Label ist genau umgekehrt im Vergleich zur Eierkennzeichnung. Während die Eierkennzeichnung dem Schulnotensystem folgt - die beste Note 1 gibt es für die Freilandhaltung - steht bei der Haltungsform-Kennzeichnung von Fleisch die Stufe 1 nur für die Stallhaltung nach gesetzlichem Mindeststandard. Über Haltungsform 2, 3 und 4 werden die Haltungsbedingungen der Tiere dann immer weiter verbessert.
Die Verbraucherzentralen haben von Anfang an kritisiert, dass der Handel mit seiner Haltungskennzeichnung nicht der von Eiern bekannten Systematik gefolgt ist.

Welche Standards die jeweiligen Produkte erfüllen, zeigt die Stufe auf dem Label:

Kennzeichnung zur Haltungsform
Quelle: www.haltungsform.de, Gesellschaft zur Förderung des Tierwohls in der Nutztierhaltung mbH
Haltungsform 1 "Stallhaltung"

Haltungsform 1 steht bei Fleisch von Schweinen, Hähnchen und Kaninchen für die Tierhaltung nach dem gesetzlichen Mindeststandard. Bei Produkten von Puten, Mast- und Milchrindern sowie Enten zeigt Stufe 1 die branchenübliche Haltung an, da es für diese Tierarten keine speziellen gesetzlichen Haltungsvorschriften gibt. Zusätzlich müssen die Betriebe an einem Qualitätssicherungsprogramm wie z. B. dem Prüfsystem "QS" teilnehmen.

Haltungsform 2 "StallhaltungPlus"

Mit Ausnahme der Pekingenten und der Milchkühe haben die Tiere bei Haltungsform 2 etwas mehr Platz im Stall (Beispiel Schwein: + 10 Prozent) und zusätzliches Beschäftigungsmaterial. Die Ställe der Enten müssen ab dieser Stufe Tageslicht haben und die Kühe dürfen nicht angebunden sein.

Haltungsform 3 "Außenklima"

Haltungsform 3 bedeutet, dass die Tiere Kontakt mit dem Außenklima haben, beispielsweise durch eine nach außen offene Stallseite oder in einem überdachten Außenbereich am Stall. Außerdem haben die Tiere – außer Enten – noch mehr Platz im Stall (Beispiel Schwein: + 40 Prozent). Zusätzlich ist Futter ohne Gentechnik vorgeschrieben.

Haltungsform 4 "Premium"

Haltungsform 4 bietet den Tieren einen tatsächlichen Auslauf im Freien und außerdem den meisten Platz im Stall (Beispiel Schwein: + 100 Prozent) – nur für die Pekingenten gibt es in allen 4 Haltungsformen dieselben Vorgaben zum Platzangebot im Stall. Das Futter ist auch in dieser Haltungsform ohne Gentechnik
In diese Stufe ist Biofleisch einzuordnen. Aber auch konventionell erzeugtes Fleisch findet sich hier, wenn die Tierhaltung die beschriebenen Anforderungen erfüllt.

Fazit: Nach Auffassung der Verbraucherzentralen stehen einzig die Haltungsformen 3 und 4 für eine deutlich verbesserte Tierhaltung.

Fleisch aus deutlich verbesserter Tierhaltung wird bisher kaum angeboten

Um Verbraucher:innen wirklich Wahlfreiheit zu bieten, braucht es ein ausreichendes Angebot von Fleisch aller Tierarten aus allen vier Haltungsformen. Daran hapert es immer noch gewaltig: Das Angebot stammt überwiegend aus den Haltungsformen 1 und 2. Fleisch der höheren Stufen gibt es kaum zu kaufen.

Die Verbraucherzentrale fordert Handel und Fleischwirtschaft auf, das Angebot von Fleischprodukten in den Haltungsform-Stufen 3 und 4 deutlich auszuweiten.

Verpflichtende staatliche Tierhaltungskennzeichnung kommt

Nach jahrelangem politischem Ringen wurde am 16. Juni 2023 die Einführung einer verpflichtenden staatlichen Tierhaltungskennzeichnung vom Bundestag beschlossen.

Die ursprünglich angedachte Tierwohlkennzeichnung wurde im Laufe der Verhandlungen zu einer Tierhaltungskennzeichnung verändert. Wie bei der "Haltungsform"-Kennzeichnung des Handels geht es vor allem um Platz im Stall, Beschäftigungsmaterialien und in den höheren Stufen um Außenklimakontakt oder Auslauf. Die systematische Erhebung von "tierbezogenen Kriterien" zum Verhalten und Gesundheitszustand, mit denen Rückschlüsse auf das Wohl oder Leid der Tiere gezogen werden können, ist kein Bestandteil der beiden Kennzeichnungen.

Das staatlich verpflichtende Tierhaltungslabel
Quelle: www.bmel.de, Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft
Welche Produkte werden gekennzeichnet?

Die Kennzeichnungspflicht gilt zunächst – voraussichtlich ab 2024 - nur für frisches, unverarbeitetes Schweinefleisch aus Deutschland, gekühlt oder gefroren, verpackt oder unverpackt, im Lebensmittelhandel, in Metzgereien, im Online-Handel und anderen Verkaufsstellen.

Maßgeblich für die Angabe der Tierhaltungsform ist die Mastphase der Schweine. Die Phase der Ferkelaufzucht vor der Mast wird nicht betrachtet.

In nächsten Schritten soll die Kennzeichnungspflicht erweitert werden auf:

  • weitere Tierarten, wie Rinder und Geflügel,
  • das Fleischangebot in der Gastronomie und
  • verarbeitete Fleischprodukte.
Wie werden Produkte gekennzeichnet?

Anders als bei der vierstufigen "Haltungsform"-Kennzeichnung des Handels unterscheidet die staatliche Kennzeichnung fünf Tierhaltungsformen: Die ökologische Tierhaltung, die bei "Haltungsform" in die Stufe 4 "Premium" integriert ist, wird separat mit "Bio" bezeichnet.

Die fünf Stufen sind:

  • Stall
    Haltung gemäß der gesetzlichen Mindestanforderungen und vergleichbar mit "Haltungsform 1"
  • Stall+Platz
    Etwas mehr Platz im Stall (+ 12,5 %), zusätzlich Raufutter und Strukturierung der Ställe. Diese Tierhaltungsform ist grob vergleichbar mit "Haltungsform 2" der freiwilligen Kennzeichnung.
  • Frischluftstall
    Noch mehr Platz im Stall (+ 45%) und Außenklimakontakt. Diese Stufe ist grob vergleichbar mit "Haltungsform 3"
  • Auslauf/Weide
    Noch mehr Platz im Stall (+ 100 %) und den Schweinen steht ganztägig ein Auslauf im Freien zur Verfügung. Alternativ können die Tiere im Freiland gehalten werden. Diese Tierhaltungsform ist grob vergleichbar mit "Haltungsform 4" der freiwilligen Kennzeichnung. Die Stufe "Auslauf/Weide" berücksichtigt nur Fleisch aus konventioneller Schweinemast.
  • Bio
    Schweinehaltung entspricht den Anforderungen der EU-Ökoverordnung. Das Platzangebot entspricht etwa der Stufe "Auslauf/Weide", dazu kommt u.a. die Verpflichtung zur Fütterung mit Öko-Futter. Anders als in den vier anderen Stufen ist in der Stufe "Bio" auch die Haltung der Ferkel gesondert geregelt (durch die Ökoverordnung). Produkte werden zusätzlich mit dem EU-Bio-Logo gekennzeichnet.Das EU-Bio-Logo.
Auch die staatliche Kennzeichnung bringt keine vollständige Transparenz

Positiv ist, dass die Kennzeichnung der Tierhaltungsform verpflichtend sein wird und auch für unverpacktes Fleisch in den Bedientheken der Supermärkte und Metzgereien gilt. Dennoch muss nicht das komplette Frischfleischangebot von Schweinen mit der Tierhaltungsform gekennzeichnet werden.

Da es sich um ein nationales Gesetz handelt, darf die Bundesregierung die Tierhaltungskennzeichnung nicht für importierte Produkte vorschreiben. Importware kann auf freiwilliger Basis mit der Tierhaltungsform gekennzeichnet werden.

Transparenz zur Tierhaltung wird es vorerst nur bei unverarbeitetem Schweinefleisch im Handel geben. Damit haben Verbraucher:innen beim Einkauf verarbeiteter Fleischprodukte und beim Essen außer Haus weiterhin keine Anhaltspunkte, wie die Tiere gehalten wurden.

Durch das Nebeneinander der unterschiedlichen Haltungskennzeichnungen wird die Transparenz weiter erschwert. Um Verwirrungen und einen Label-Dschungel zu vermeiden, sollte das staatliche Label die freiwillige "Haltungsform"-Kennzeichnung ersetzen.

Fazit: Nach Auffassung der Verbraucherzentralen stehen einzig die Tierhaltungsformen "Frischluftstall", "Auslauf/Weide" und "Bio" für eine deutlich verbesserte Tierhaltung.

Tierhaltungs-Kennzeichnungen sind keine Tierwohllabel

Die "Haltungsform"-Kennzeichnung des Handels und die staatliche Tierhaltungskennzeichnung sind gute Ansätze für mehr Transparenz im Fleischangebot.
Sie garantieren aber nicht, dass es den Tieren wirklich gut gegangen ist. Denn mehr Platz und Beschäftigungsmaterial im Stall bedeuten nicht automatisch mehr Tierwohl.

Für verlässliche Aussagen zum Tierwohl müssten verhaltens- und gesundheitsbezogene Kriterien wie Lahmen, Verletzungen, Organbefunde usw. in der Tierhaltung und am Schlachthof systematisch erhoben, ausgewertet und gegebenenfalls nachgebessert werden. Diese Kriterien finden keinen Eingang in die Stufen der "Haltungsform"-Kennzeichnung und der staatlichen Tierhaltungskennzeichnung.

Forderungen der Verbraucherzentrale

  1. Handel und Fleischwirtschaft müssen das Angebot von Produkten in den Haltungsform-Stufen 3 und 4 bzw. künftig "Frischluftstall", "Auslauf/Weide" und "Bio" deutlich ausweiten.
  2. Die Bundesregierung muss die staatliche Tierhaltungskennzeichnung zügig auf die weiteren Tierarten sowie Gastronomie und verarbeitete Fleischprodukte erweitern. Außerdem muss sie den Tierschutz verbessern, indem sie die gesetzlichen Tierhaltungsstandards anhebt. Auch sollte die Einführung eines obligatorischen nationalen Tierwohlmonitorings und die Verschärfung der Kontrollen und Sanktionen bei Verstößen verfolgt werden.
  3. Auf EU-Ebene muss sich die Bundesregierung für die Einführung einer verbindlichen europäischen Kennzeichnung einsetzen, die Transparenz über das gesamte Angebot schafft – gleich ob Inlands- oder importierte Produkte.
Mehrere Schweine stehen in einem geräumigen Stall auf Stroh.

Tierschutz und Tierwohl: Infos und Einkaufstipps

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